Vereinslokal "Bosch"
Vertragspoker im Hinterzimmer
Wo bleibt der Ernst heute? Fragend blicken die Gäste durch die Rauchschwaden auf den Tisch hinten rechts in der Ecke. Sonst sitzt er dort jeden Tag pünktlich nach Feierabend bei Bier, Korn und Zigarre. Aber 19 Uhr ist schon durch. Kuzorras Tabakladen liegt doch nur fünf Gehminuten von hier. Wirte sind immer gut informiert. Dieser hier ist sogar ein guter Vertrauter von Ernst Kuzorra: In allen neun Endspielen um die Deutsche Meisterschaft stand er neben ihm und Szepan auf dem Platz. Seit 1947 steht “Ötte” Tibulsky auch hier im Vereinsheim an der Kampfbahn Glückauf hinter den Zapfhähnen. Die Gäste fragen ihn, wo der Ernst sei. Aber er schüttelt den Kopf: Er hat auch nix von seinem Stammgast gehört.
Mit der Eröffnung des Vereinsheims direkt am Eingang der Kampfbahn Glückauf hat “Ötte” Tibulsky die goldrichtige Wahl getroffen: Die Kneipe entwickelte sich zum neuen Lebensmittelpunkt der Schalker Vereinsfamilie. Funktionäre, Spieler, Mitglieder und Zuschauer saßen hier zusammen beim Bier und sprachen über die letzten Spiele. Hier trafen nicht die Stars auf ihre Fans, sondern die Spieler auf ihre Nachbarn, Schulfreunde und Arbeitskollegen. Das Vereinslokal war damit der Nachfolger der Kaiserhalle am Schalker Markt. Aber auch in anderer Hinsicht bewies “Ötte” Tibulsky mit seinem zweiten Standbein ein glückliches Händchen: Das erste Standbein - der Fußball - brach ihm ein Jahr nach der Eröffnung seines Lokals buchstäblich weg. Am 12. Dezember 1948 trugen ihn seine Mannschaftskameraden im Spiel gegen Rot-Weiß Oberhausen mit einem doppelten Schienbeinbruch vom Platz. Es war sein letztes Fußballspiel.
Das Gebäude, in dem das “Bosch” heute liegt, ist nicht mehr das ursprüngliche von 1947. Als die Berliner Brücke 1963 gebaut und die Kurt-Schumacher-Straße (damals noch König-Wilhelm-Straße) verbreitert wurde, musste der alte Bau abgerissen werden. Es entstand ein modernes Hochhaus – und natürlich wurde auch hier “Ötte” Tibulsky der erste Pächter. 1971 übernahmen Gerd Bosch und seine Frau Marlene das Vereinsheim. Aus dieser Zeit stammt auch der Spitzname des Lokals. Landläufig wird es - bis heute, obwohl der Namensgeber schon 1998 verstarb - das “Bosch” genannt. Auch nach dem Besitzerwechsel kamen die Spieler nach den Heimspielen auf ein Bier vorbei. Selbst als das Parkstadion die neue Spielstätte war, kamen sie. Und im Hinterzimmer wurden bis etwa zur Jahrtausendwende Verträge für Nachwuchsspieler ausgehandelt. Bis in die frühen Morgenstunden saßen die Parteien manchmal hier. Bis heute ist die Kneipe für Schalke-Fans an Spieltagen immer noch ein zentraler Anlaufpunkt.