“Blau und weiß, wie lieb ich dich!”, “Königsblauer S04”, “Ein Leben lang - blau und weiß ein Leben lang” - wer die Fangesänge im Stadion hört, dürfte keinen Moment daran zweifeln, was die Schalker Farben sind. Die “traditionellen” Farben, na klar: “Blau und Weiß sind unsere Fußballfarben, Königsblau und weiß wie der Schnee”, sang schließlich schon der Schalker Schlagerbarde Ährwin Weiß (!), alles andere kommt gar nicht in Frage. “Ja so ist es, und so wird's auch immer sein”? Aber war es auch schon immer so?

Von wegen “königsblau”: Auf diesem (nachkolorierten) Mannschaftsfoto aus dem Jahre 1908 haben die Schalker Fußballer vermutlich noch andere Farben getragen.

Keinesfalls: Rot und Gelb. So liefen die jungen Schalker Kicker in der Gründungszeit auf. Damals noch unter dem Namen Westfalia Schalke. Warum genau Rot und Gelb bei den Schalker Jungs zur Gründungszeit gewählt wurden, ist unklar. War es das Wappen der Grafschaft Mark, das die Kicker inspirierte? War die Inspiration ein niederländischer Fußballverein in Rot-Gelb, der in Gelsenkirchen zu Gast war und der als Vorbild diente? Wie genau die Farbkombination zustande kam, die heute im Stadion nur noch für “Ketchup und Senf” zusammenkommt, ist nicht abschließend geklärt, aber “Ein Leben lang” blau-weiß war es auf jeden Fall nicht.

Heilige Barbara Kirchenfenster
Nachdem Gelsenkirchen zwei Jahre zuvor die Stadtrechte erhielt, trug die Stadt ab 1877 das oben von Bergmann und Hüttmann gehaltene Wappen. Dieses Wandbild befand sich an der Fassade des alten Rathauses von Gelsenkirchen.
Der Schildhalter auf der rechten Seite ist ein Eisengießer, auch Hüttmann genannt.
Einer der Schildhalter ist ein Bergmann in Festtracht.
Schlägel und Eisen stehen als Symbol für die Bergbau-Industrie.
Die Kirche im Wappen spielt auf den Stadtnamen “Gelsenkirchen” an.
Das Wappen mit Adler zeigt die Zugehörigkeit zum Königreich Brandenburg-Preußen.
Das rot-gelbe Wappen zeigt die Zugehörigkeit zur Grafschaft Mark.

Neun Jahre lang ging es unter rot-gelber Flagge auf den grünen Rasen. Erst ab 1913, ein Jahr nachdem sich “Westfalia” dem “Turn und Sportverein Schalke 1877” anschloss, sind zum ersten Mal blaue Trikots und weiße Hosen dokumentiert. Als im Jahr 1924 der Vereinsname geändert wird, stehen zwei Optionen zur Wahl. FC Schalke 04 und Blau-Weiß Schalke 24. Der “Fußballclub” war den damaligen Mitgliedern wahrscheinlich wichtiger als die Farbkombination - vor allen Dingen, um sich von den Turnern abzuheben.

Aber warum das Blau und Weiße? War es eine politische Aussage weg vom Gelb-Rot der Grafschaft Mark hin zum Preußisch-Blau? Das auch “Königsblau” genannte Blau war die Farbe der Preußischen Leibgarden und Hofbeamten, die sich die Uniformen am französischen Königshof abgeschaut hatten. Der Name “Königsblau” ist zumindest hängen geblieben, auch wenn er sich erst ab ca. 1930 durchsetzt. Oder sind die Zuwanderer aus den polnischen Masuren verantwortlich? Die Arbeitsmigranten, zu denen auch die Eltern der Schalker Legenden Szepan und Kuzorra gehören, reisten mit ihrem wenigen Hab und Gut an, meist eingewickelt in blau-weiß gestreiftes Bettzeug. Oder war es die Sehnsucht der Bergleute, die den Großteil der Fans stellten, nach blauem Himmel und weißen Wolken, so wie man es auch im Vereinslied hört?

Schalke von oben - viel graue Industrie. Und die wichtigsten Orte der Gründungszeit mittendrin. Die Schalker Jungs haben hier mit ihrem Gekicke ganz schön Farbe reingebracht.
Hier vor Haus Goor fanden der Legende nach die ersten Fußballspiele des damaligen Westfalia Schalke, des späteren FC Schalke 04, statt.
An dieser Stelle lagen die Schächte 1 und 6 der Zeche Consol. Hier ging es “unter Tage” - am Anfang noch für die Spieler, später nur noch für die Schalker Anhänger.
Am “Schalker Markt” liegt in den 1920er-Jahren die erste Geschäftsstelle des FC Schalke 04. Ebenso findet sich hier die evangelische Friedenskirche als wichtiger Ort des gesellschaftlichen Lebens.
Schon seit den 1890er-Jahren war an dieser Stelle die katholische St.-Joseph-Kirche. Das Grundstück wurde von dem Mann gestiftet, der auch die Schalker Industrie in der Hand hatte: Friedrich Grillo.
Aus dieser kleinen Stichstraße im Schatten des Bergwerks Consol stammten die meisten der Jungs, die vor Haus Goor das Fußballspielen begannen.

Denn unter Tage herrschte eine andere Farbe: Schwarz. Schwarz war es hier, weil es dunkel war, und schwarz war auch die Kohle, die die Kumpel ans Tageslicht beförderten. Ihre Gesichter waren schwarz und am Ende der Schicht auch ihre weiße Kleidung. Um es mal so zu sagen: Nicht die positivste Assoziation für die Kumpel der damaligen Zeit. Das Schwarz stand fürs Dunkel und für den Kohlestaub, der nicht nur “unter Tage” alles verdreckte, sondern auch an der Oberfläche die weiße Wäsche auf der Leine dunkel färbte.

Volkstümliches Heimatlied aus dem Gelsenkirchen der 1920er-Jahre.

Ganz so schwarz-weiß war es unter Tage aber nicht. Farben spielten auch hier eine wichtige Rolle. Von der Essener Zeche Zollverein zum Beispiel ist überliefert, dass verschiedene Helmfarben mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Positionen einhergingen. Wer Lehrling war, trug einen grünen Helm. Bergmänner gelb, Steiger, also Bergmänner mit Leitungsaufgaben, hatten einen weißen Helm. Am blauen Helm erkannte man Handwerker und die Grubenwehr trug rot. Allerdings war das von Zeche zu Zeche auch mal anders und spätestens, wenn die großen Fußballderbys der Region anstanden, wurden die Kopfbedeckungen unter Tage fleißig durchgetauscht.

Die Melodie ist bis heute gleich geblieben - die Strophen haben sich seit der Entstehung des Liedes in den 20er-Jahren allerdings verändert, wie man hier hören kann. Die erste Strophe kommt Schalke-Fans sicher bekannt vor - der Vers über den letzten Wunsch eines Schalke-Fans allerdings, ist heute nicht mehr Teil des offiziellen Vereinsliedes. Gesang & Musik: Noah Reis-Ramma

Aus Schalker Sicht denkt man heute bei “Derby” natürlich an die Farbkombination Schwarz und Gelb. Bis in die 1980er-Jahre waren die Spiele gegen den BVB aus Dortmund aber allenfalls eine kleine Lokalrivalität. Erst als die sportlichen Leistungen der beiden Clubs sich einander annähern, wurde aus dem Konkurrenten ein “Erzfeind”. Dabei gibt es eine Parallele, die die Dortmunder aus Sicht der Schalker ganz sympathisch werden lässt. Als 1909 die Dortmunder das Kicken anfingen, taten sie das noch nicht in der an stechende Insekten erinnernden Farbkombination aus Schwarz und Gelb. Vielmehr trugen sie in ihren ersten Spielen die einzig wahre Farb-Kombi: Blau und Weiß.

Borussia Dortmund
FC Bayern München
VfL Bochum
MSV Duisburg
Blau-Weiß Lohne
Start in Blau-Weiß Der Verein selbst schätzt, dass es der Zusammenschluss mit drei anderen Vereinen war, der für die Trikotfarben sorgte. Auf der Website heißt es: “Die erste Spielkluft des BVB hatte aus einem blau-weißen (!!!) Trikot und einer schwarzen Hose bestanden. Über dem längsgestreiften Hemd trug man eine rote Schärpe, mit der die Akteure ihre Solidarität mit der Arbeiterbewegung kundtaten.”
Weiß und Himmelblau Sechs Jahre lang spielte der FC Bayern in blauen Trikots und weißen Hosen. Das Museum des FC Bayern klärt auf: “Gemäß den bayerischen Landesfarben.”
Ältester Blau-Weiß-Club? Auch wenn die Jahreszahl 1848 im Vereinsnamen etwas anderes suggeriert, wurde der VfL Bochum eigentlich erst 1938 in seiner jetzigen Form gegründet und trägt seit dem Blau-Weiß. Warum ist nicht geklärt, allerdings sind die Vereinsfarben gleichzeitig auch die Bochumer Stadtfarben.
Blau-Weiß oder Weiß-Blau Die Satzung des MSV Duisburg sagt es klar und deutlich: "Die Vereinsfarben sind blau-weiß”. Auch wenn so einige Fans anderer Meinung sind und in der Kurve am liebsten von den “weiß-blauen” Zebrastreifen singen.
Rang und Namen Der zur Zeit am höchsten spielende Fußballverein, der Blau-Weiß im Namen trägt, ist der Turn- und Sportverein Blau-Weiß Lohne von 1894 e.V. und spielt in der Regionalliga Nord.
Nicht nur der FC Schalke 04 ist blau-weiß - auch andere Clubs aus nah und fern schmücken sich mit diesen Farben - oder haben es zumindest früher getan. Aber warum eigentlich?

Bevor sich der BVB zum ärgsten Konkurrenten um den Thron im Ruhrgebiet aufschwang, gab es in direkter Nachbarschaft eine Farbkombination, die viel verhasster war: Rot-Weiß. Die Essener von der Hafenstraße in Bergeborbeck waren sportlich ebenbürtig und hatten ebenso leidenschaftliche Anhänger wie der FC Schalke. Wenn es um die Vorherrschaft um die “Nr. 1 im Pott” ging, war es eine Sache zwischen Rot-Weiß und Blau-Weiß und Revierderbys wurde vor allen Dingen zwischen diesen beiden Clubs an der Emscher ausgefochten.

Vom Killer zur blauen Lunge - die Emscher wird nach Jahrzehnten als Abwasserkanal wieder lebenswert. Vor allem für die Emschergroppe, die trotz aller Widrigkeiten in einem Nebenarm die Jahre der Verunreinigung überstehen konnte und nun wieder die Emscher bevölkert.

Was wir schon festgestellt haben: Schalke hat viele Farben, aber: Schalke ist auch grün! Grün? Wie jetzt? Wie Joschka Fischer und Claudia Roth? Grün wie der Neid? Nein - Grün wie naturnah, nachhaltig und lebenswert. Na klar, das war nicht immer so. Vor 100 Jahren war es alles andere als ein Naherholungsgebiet. Aber eine Entwicklung der letzten Jahre trägt inzwischen Früchte. Das blaue Band, das Gelsenkirchen durchzieht und auch in Schalke fließt, die Emscher, wurde verwandelt. Vom braunen Abwasserbach wurde sie zum renaturierten, grünen Fluss. So wurde das Emschertal, in dem Schalke liegt, vom grünen Moor zum grauen Industriemoloch und wieder zum grünen urbanen Ort.

Bildquellen: FC Schalke 04, Institut für Stadtgeschichte Gelsenkirchen

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