“Blau und weiß, wie lieb ich dich!”, “Königsblauer S04”, “Ein Leben lang - blau und weiß ein Leben lang” - wer die Fangesänge im Stadion hört, dürfte keinen Moment daran zweifeln, was die Schalker Farben sind. Die “traditionellen” Farben, na klar: “Blau und Weiß sind unsere Fußballfarben, Königsblau und weiß wie der Schnee”, sang schließlich schon der Schalker Schlagerbarde Ährwin Weiß (!), alles andere kommt gar nicht in Frage. “Ja so ist es, und so wird's auch immer sein”? Aber war es auch schon immer so?
Keinesfalls: Rot und Gelb. So liefen die jungen Schalker Kicker in der Gründungszeit auf. Damals noch unter dem Namen Westfalia Schalke. Warum genau Rot und Gelb bei den Schalker Jungs zur Gründungszeit gewählt wurden, ist unklar. War es das Wappen der Grafschaft Mark, das die Kicker inspirierte? War die Inspiration ein niederländischer Fußballverein in Rot-Gelb, der in Gelsenkirchen zu Gast war und der als Vorbild diente? Wie genau die Farbkombination zustande kam, die heute im Stadion nur noch für “Ketchup und Senf” zusammenkommt, ist nicht abschließend geklärt, aber “Ein Leben lang” blau-weiß war es auf jeden Fall nicht.
Neun Jahre lang ging es unter rot-gelber Flagge auf den grünen Rasen. Erst ab 1913, ein Jahr nachdem sich “Westfalia” dem “Turn und Sportverein Schalke 1877” anschloss, sind zum ersten Mal blaue Trikots und weiße Hosen dokumentiert. Als im Jahr 1924 der Vereinsname geändert wird, stehen zwei Optionen zur Wahl. FC Schalke 04 und Blau-Weiß Schalke 24. Der “Fußballclub” war den damaligen Mitgliedern wahrscheinlich wichtiger als die Farbkombination - vor allen Dingen, um sich von den Turnern abzuheben.
Aber warum das Blau und Weiße? War es eine politische Aussage weg vom Gelb-Rot der Grafschaft Mark hin zum Preußisch-Blau? Das auch “Königsblau” genannte Blau war die Farbe der Preußischen Leibgarden und Hofbeamten, die sich die Uniformen am französischen Königshof abgeschaut hatten. Der Name “Königsblau” ist zumindest hängen geblieben, auch wenn er sich erst ab ca. 1930 durchsetzt. Oder sind die Zuwanderer aus den polnischen Masuren verantwortlich? Die Arbeitsmigranten, zu denen auch die Eltern der Schalker Legenden Szepan und Kuzorra gehören, reisten mit ihrem wenigen Hab und Gut an, meist eingewickelt in blau-weiß gestreiftes Bettzeug. Oder war es die Sehnsucht der Bergleute, die den Großteil der Fans stellten, nach blauem Himmel und weißen Wolken, so wie man es auch im Vereinslied hört?
Denn unter Tage herrschte eine andere Farbe: Schwarz. Schwarz war es hier, weil es dunkel war, und schwarz war auch die Kohle, die die Kumpel ans Tageslicht beförderten. Ihre Gesichter waren schwarz und am Ende der Schicht auch ihre weiße Kleidung. Um es mal so zu sagen: Nicht die positivste Assoziation für die Kumpel der damaligen Zeit. Das Schwarz stand fürs Dunkel und für den Kohlestaub, der nicht nur “unter Tage” alles verdreckte, sondern auch an der Oberfläche die weiße Wäsche auf der Leine dunkel färbte.
Ganz so schwarz-weiß war es unter Tage aber nicht. Farben spielten auch hier eine wichtige Rolle. Von der Essener Zeche Zollverein zum Beispiel ist überliefert, dass verschiedene Helmfarben mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Positionen einhergingen. Wer Lehrling war, trug einen grünen Helm. Bergmänner gelb, Steiger, also Bergmänner mit Leitungsaufgaben, hatten einen weißen Helm. Am blauen Helm erkannte man Handwerker und die Grubenwehr trug rot. Allerdings war das von Zeche zu Zeche auch mal anders und spätestens, wenn die großen Fußballderbys der Region anstanden, wurden die Kopfbedeckungen unter Tage fleißig durchgetauscht.
Aus Schalker Sicht denkt man heute bei “Derby” natürlich an die Farbkombination Schwarz und Gelb. Bis in die 1980er-Jahre waren die Spiele gegen den BVB aus Dortmund aber allenfalls eine kleine Lokalrivalität. Erst als die sportlichen Leistungen der beiden Clubs sich einander annähern, wurde aus dem Konkurrenten ein “Erzfeind”. Dabei gibt es eine Parallele, die die Dortmunder aus Sicht der Schalker ganz sympathisch werden lässt. Als 1909 die Dortmunder das Kicken anfingen, taten sie das noch nicht in der an stechende Insekten erinnernden Farbkombination aus Schwarz und Gelb. Vielmehr trugen sie in ihren ersten Spielen die einzig wahre Farb-Kombi: Blau und Weiß.
Bevor sich der BVB zum ärgsten Konkurrenten um den Thron im Ruhrgebiet aufschwang, gab es in direkter Nachbarschaft eine Farbkombination, die viel verhasster war: Rot-Weiß. Die Essener von der Hafenstraße in Bergeborbeck waren sportlich ebenbürtig und hatten ebenso leidenschaftliche Anhänger wie der FC Schalke. Wenn es um die Vorherrschaft um die “Nr. 1 im Pott” ging, war es eine Sache zwischen Rot-Weiß und Blau-Weiß und Revierderbys wurde vor allen Dingen zwischen diesen beiden Clubs an der Emscher ausgefochten.
Was wir schon festgestellt haben: Schalke hat viele Farben, aber: Schalke ist auch grün! Grün? Wie jetzt? Wie Joschka Fischer und Claudia Roth? Grün wie der Neid? Nein - Grün wie naturnah, nachhaltig und lebenswert. Na klar, das war nicht immer so. Vor 100 Jahren war es alles andere als ein Naherholungsgebiet. Aber eine Entwicklung der letzten Jahre trägt inzwischen Früchte. Das blaue Band, das Gelsenkirchen durchzieht und auch in Schalke fließt, die Emscher, wurde verwandelt. Vom braunen Abwasserbach wurde sie zum renaturierten, grünen Fluss. So wurde das Emschertal, in dem Schalke liegt, vom grünen Moor zum grauen Industriemoloch und wieder zum grünen urbanen Ort.
Bildquellen: FC Schalke 04, Institut für Stadtgeschichte Gelsenkirchen